Foto: Annegret Soltau: Mit mir selbst, 1975/2022 und Chirurgische Operationen II, 11.10.2001, 2001© Fotodesign Hefele/ Galerie Anita Beckers
Ausstellung im Städel

Feministische Avantgarde

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Sensible Radierungen, heillos zusammengeflickte Fotos: Das Städel Museum zeigt eine große Retrospektive von Annegret Soltau. Mit dabei: Ein Selbstbildnis und „Chirurgische Operationen".

Katharina J. Cichosch /

Es ist ein heilloses Durcheinander, Drunter und Drüber in Annegret Soltaus Familienaufstellungen und Selbstporträts. Mutter, Vater, Kinder gehen über Kreuz, Gesichter und Geschlechter, Nasen und Augen, Brüste und Beine werden fragmentarisch neu verteilt, spiegeln oder doppeln sich. Was dabei herauskommt, trägt Titel wie „MutterTochterVaterSohn,76“ (von 2005) oder, brachialer, „Chirurgische Operationen II, 11.10.2001“ (aus ebendem Jahr).

Ihr Beitrag zur feministischen Avantgarde ist unumstritten

Annegret Soltau, 1946 in Lüneburg geboren und nach Studienaufenthalten in Hamburg und Mailand heute in Darmstadt zu Hause, hat gleich in mehreren Kategorien wegweisend gewirkt: Ihr Beitrag zur feministischen Avantgarde ist unumstritten, ebenso wie ihre Erweiterung von Body Art und Fotografie. Ihre Arbeiten zeichnen sich durch präzise Setzungen wie auch wieder Offenheit beispielsweise durch performative Elemente aus, die ihr Publikum zur Auseinandersetzung mit Körperlichkeit und Identität einladen. Mit ihren experimentellen Verfahren wie der Fotoübernahme oder der Fotoradierung transformiert sie Selbstporträts zu sensiblen Erzählungen über Mutterschaft, Vergänglichkeit und die Suche nach persönlicher sowie kollektiver Identität.

Über Jahrzehnte hat Soltau gesellschaftliche Rollenbilder aufgespießt

Sensibel heißt dabei keineswegs schonend. Über Jahrzehnte hat Soltau gesellschaftliche Rollenbilder aufgespießt und den weiblichen Körper als Instrument der Selbstermächtigung etabliert. Provokation war der Künstlerin dabei kein Zweck an sich, konnte aber vorkommen. Ihre Fotovernähungen verschrecken und verstören. Manche sind vielleicht auch lustig, andere geradezu freundlich – aber sie tragen sichtbare Nähte zwischen den auseinandergerissenen Körperteilen, die nicht primär „heilend“ erscheinen, sondern wie ziemlich unbarmherzig zusammengeflickt. Eine abschließende Harmonie mag sich nicht einstellen. Auch deshalb ist der Titel der großen Retrospektive, die das Städel Museum Annegret Soltau jetzt ausrichtet, treffend: „Unzensiert“ heißt die Schau, in Anspielung wohl auf manches Werk, das nachträglich wieder vom Buchcover oder einer anderen Veröffentlichung entfernt wurde.

Dass eine Künstlerin wörtlich so viel Raum einnimmt, ist keine Selbstverständlichkeit. Ist es noch heute nicht im Ausstellungsraum. Angefangen hat alles deutlich softer, auch wenn der Wunsch zur bildnerischen Körpermodifikation schon früh bestand. Auf Zeichnungen und Radierungen zeigt Soltau Frauen mit dickem Schal umwickelt; Magazinseiten übermalt die Künstlerin mit präzisem Strich. Später führt sie in Aktionen auf, was sie früher nur gezeichnet hat: Gesichter und andere Körperteile werden mit straffem Faden umwickelt und fotografiert. Am Anfang war die Linie, heißt es dazu im Ausstellungskatalog. Tatsächlich zieht sie sich durch Annegret Soltaus gesamtes Werk, das ja bis heute nicht abgeschlossen ist, sondern von der Künstlerin mit Verve weiterbearbeitet wird.

Parallele Einzelausstellung in der Galerie Anita Beckers

Frühere Arbeiten der Künstlerin lassen sich übrigens auch in der Galerie Anita Beckers entdecken, die parallel zur Museumsausstellung ab Mitte Mai eine konzentrierte Einzelausstellung zeigt. „Ich, das ist ein anderer“, notierte Arthur Rimbaud 1871. Das Unbehagen mit dem eigenen Selbst, der Wunsch nach Entgrenzung wie dann auch wieder nach Verortung ist eine universale Angelegenheit. Als Künstlerin war Annegret Soltau womöglich immer beides, am Spezifischen wie am Allgemeinen interessiert. Genauer: Aus der spezifischen Erfahrung als Frau hat sie Arbeiten entwickelt, die geschlechtsunabhängig eine gewaltige, dem jeweiligen Zeitgeist trotzende Wirkung entfachen.

Der eigene Körper ist ihr dabei stets Arbeitsgrundlage, wie auch die Familie mit all ihren Implikationen und Machtverhältnissen stets in die Kunst hineinspielt. Aber was dabei herauskommt, das geht alle an. „Mache ich nur Kunst über Frauen? Ich mache doch Kunst über Menschen!“, sagt die Künstlerin im Interview mit den Kuratorinnen dazu.

Info
Unzensiert.
Annegret Soltau – eine Retrospektive
Ffm: Städel Museum
8.5. bis 17.8.
die Einzelausstellung in der Galerie
Anita Beckers
eröffnet am 16.5.


Foto: Annegret Soltau: Mit mir selbst, 1975/2022 und Chirurgische Operationen II, 11.10.2001, 2001© Fotodesign Hefele/ Galerie Anita Beckers

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